Äisch iwa mäisch

1953 geboren, noch am Rande der alten Zeit aufgewachsen, bevor die moderne Entwicklung auch unser Dorf erreichte, ist es mir heute ein Anliegen, die Dinge aus der „guten alten Zeit“, die gut waren, zu bewahren und mit dem, was heute besser ist, zu verbinden.
Ja, die „guten alten Zeiten“ waren nicht nur gut. Schon als Kind habe ich mir viele Gedanken über Gott und die Welt gemacht. So habe ich schon sehr früh absolut nicht verstehen können, dass angesehene Persönlichkeiten des Dorfes Kinder grundlos schlagen oder in aller Öffentlichkeit lügen durften und trotzdem sonntags in der Kirche in der ersten Reihe saßen und im Dorf hoch angesehen waren.
Auch habe ich nicht verstanden, warum man Kinder zu etwas zwingen durfte: „Kannawellen ass wie Hohnadrähk!“ Oder warum Mädchen nicht aufs Gymnasium gehen bzw. einen Beruf erlernen sollten. „Mädscha heiroten dooch suwiesu.“ Auch wollte ich nicht einsehen, warum man immer darauf achten musste, „watt de Lett soon“, bzw. das tun sollte, was alle taten:“ ma mischt ett wie de Lett, dahn gäht ett ähm wie de Lett!“
Ich wollte sehr früh aus der „Enge“ des Dorfes heraus und mich unbedingt einsetzen für die Benachteiligten unserer Gesellschaft und für eine bessere, gerechtere Welt. Am liebsten wollte ich eine „Heilige Elisabeth“ werden. (Was zum Glück dann doch nicht so ganz geklappt hat...)
So habe ich dann gegen den Willen meiner Eltern das Abitur auf dem 2. Bildungsweg gemacht, dann in Koblenz Sozialpädagogik und später in Berlin Soziologie studiert. Ich glaube, ich war das erste Mädchen aus dem Dorf, welches studiert hat.
Da wir Eifelaner ja bekanntlich sehr an unserer Scholle hängen, bin ich dankbar, dass mein Mann, der aus Kassel und aus einer ganz anderen Welt kommt, mit mir zurück in die Eifel gezogen ist. Ich habe ihn übrigens „an Geelzem op da Kiermes“ kennen gelernt, eine himmlische Fügung und eine schöne Geschichte über eine Liebe auf den ersten Blick. Die erzähle ich vielleicht ein andermal.
Es fügte sich, dass wir beide zusammen fast 30 Jahre die Jugendherberge auf der Burg Neuerburg führen und leiten durften. An diesem Platz konnte ich alles, was ich gelernt hatte, was ich gerne mache „un watt äisch vun dahähm matkreht hunn“, miteinander verbinden und ausleben. Mit viel Engagement und Leidenschaft war ich die „Burgherrin und Herbergsmutter“, war Managerin, Pädagogin, Gastwirtin, Köchin, Gestalterin, Gärtnerin, Putzfrau....
Wir hatten meist einen 16-Stunden-Tag und haben dabei auch noch vier Kinder großgezogen. Also ganz ähnlich, wie es früher hier bei uns in der Wirtschaft zuging. Dabei wollte ich doch so ganz anders leben. „Den Aapel fällt nit wejt vum Stamm!“
Nun sind wir seit 5 Jahren in Rente, und ich bin nochmals ein Stück mehr zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Auf unserem kleinen Hof zwischen Wald und Feld, mit seiner großen Obstwiese, einem riesigen Gemüsegarten und Gewächshaus sind wir vom Obst und Gemüse her Selbstversorger geworden. Ich bin glücklich mit meinen selbst angebauten Kartoffeln und dicken Bohnen, mache Saft, Viez, Schnaps etc. selber und freue mich, dass ich das zu Hause in Gilzem „mattkreht hunn“.
Immer noch will ich die Welt ein bisschen retten, engagiere mich hier und da und sitze für die Grünen im Verbandsgemeinderat. Aber mein Mann und ich nehmen uns auch viel Zeit für Kultur und Reisen, was in meiner Jugend und bei meinen Eltern immer zu kurz gekommen ist.
„Ooh, watt gäht ett iehs goot!“, sage ich oft zu meinem Mann, der leider kein Platt spricht. Aber wenn ich besonders emotional bin, falle ich gerne automatisch in unsere Eifelsprache. „Joo, unn wie goot, datt mia daht och wessen!“ versucht er mir auf Platt zu antworten. Das Schicksal hat es gut gemeint mit mir, und ich bin glücklich, hier in der Natur und in meiner Eifelheimat leben zu können. Und mit Gilzem werde ich immer verbunden bleiben. „Un neerens schmaacht dat Beburja su goot wie bejm Diechta!“ Zugriffe: 4178